Warenursprung: Bestimmung, Beratung, Ursprungsarten
Der Begriff „Warenursprung“ spielt eine entscheidende Rolle im internationalen Handel. Genauso wie ein Fluss seinen Ursprung hat, hat auch jede Ware ihre Herkunft. Doch genau wie es bei einem Fluss Schwierigkeiten geben kann, den Ursprung festzustellen, treten auch im Handel Herausforderungen auf, wenn mehrere Bestandteile oder Materialien in ein Endprodukt einfließen.
Zwei Arten des Ursprungs
Der Unionszollkodex unterscheidet zwischen dem nicht präferenziellen und dem präferenziellen Warenursprung. Waren mit präferenziellem Ursprung genießen Zollvergünstigungen oder werden zollfrei eingeführt, während der nicht präferenzielle Ursprung für alle Waren gilt.
Anders als es die Begrifflichkeiten „präferenziell“ und „nicht präferenziell“ suggerieren, stehen die beiden Ursprungsformen nicht in einem Spezialitätsverhältnis zueinander, sondern verfolgen voneinander unabhängige Ziele.
Vollständige Herstellung oder ausreichende Be- oder Verarbeitung
Für beide Arten gilt in der Regel, dass die vollständige Herstellung bzw. die ausreichende Be- oder Verarbeitung ursprungsbegründend im Herstellungs- bzw. Be-/Verarbeitungsland ist.
Waren haben ihren Ursprung im Land, in dem sie vollständig gewonnen oder hergestellt wurden. Hierbei ist entscheidend, dass die verwendeten Vormaterialien ebenfalls aus diesem Land stammen. Alternativ kann der Ursprung durch die letzte wesentliche und wirtschaftlich gerechtfertigte Be- oder Verarbeitung in einem spezialisierten Unternehmen bestimmt werden. Diese Regel berücksichtigt die komplexen, arbeitsteiligen Prozesse bei der Herstellung von Waren. Maßgeblich für die Frage, wann eine ausreichende Be- oder Verarbeitung vorliegt, sind die sog. Listenregeln aus dem Unionszollrecht.
Diese Grundprinzipien werden insbesondere im Präferenzrecht durch die einzelnen Präferenzabkommen teilweise erheblich modifiziert. Im Einzelfall kann die Frage, wann eine ausreichende Be- oder Verarbeitung vorliegt, komplex sein und zu Streitpotenzial mit dem Zoll führen.
Nicht präferenzieller Ursprung
Der nicht präferenzielle Ursprung, auch handelspolitischer Ursprung genannt, ist für alle EU-Mitgliedstaaten im Unionszollkodex einheitlich geregelt. Dieser Ursprung kann in Deutschland durch ein Ursprungszeugnis der Industrie- und Handelskammern (IHKs) nachgewiesen werden und basiert auf zwei Hauptursprungsregeln: der vollständigen Herstellung und ausreichenden Be- oder Verarbeitung.
Besonders wichtig ist der handelspolitische Warenursprung bei der Frage, ob auf Waren Antidumpingzölle anzuwenden sind.
Wie den Nachweis für den handelspolitischen (nicht präferenziellen) Ursprung erbringen?
Zum Nachweis des nicht präferenziellen Ursprungs können bei der Ausfuhr aus der Europäischen Union Ursprungszeugnisse ausgestellt werden. In Deutschland übernimmt dies die Industrie- und Handelskammer.
Bei der Einfuhr in die EU kann von den Zollbehörden ein Ursprungsnachweis für die Waren verlangt werden. Als Nachweise kommen Unterlagen in Betracht, aus denen hervorgehen muss, dass der Ursprung nach den Regeln des Unionszollkodex erworben wurde. Zum Beispiel:
- Rechnungen
- Kalkulationsgrundlagen
- Fertigungsunterlagen
- Lieferscheine
Präferenzieller Ursprung
Im Gegensatz hierzu gibt es keinen absoluten, für alle Präferenzregelungen geltenden präferenziellen Ursprung. Bei Präferenzmaßnahmen handelt es sich um bi- oder multilaterale Vereinbarungen zwischen zwei oder mehreren Ländern, in denen sich diese für bestimmte Waren auf Zollbefreiungen oder -ermäßigungen geeinigt haben. Waren mit präferenziellem Ursprung können von Zollvorteilen profitieren, die in diesen Abkommen festgelegt sind. Die Voraussetzungen für präferenziellen Ursprung variieren je nach Abkommen.
Maßgeblich, um in den Genuss der Vorteile des Präferenzstatus zu kommen, ist die Einhaltung spezifischer Ursprungs- und Bearbeitungsregeln. Wichtig sind auch hier Listen, die von den beteiligten Ländern herausgegeben werden und die entsprechenden Verarbeitungsstufen zu einer Vielzahl von Waren und Warengruppen enthalten. Besonders komplex – und in der Folge fehleranfällig – wird die Thematik, wenn Vormaterialen aus Drittländern verwendet werden, die nicht Teil eines Präferenzabkommens sind.
Weiter ist auf die Möglichkeit der Kumulierung hinzuweisen. Dies ermöglicht es, Produktionsvorgänge, die in einem Land oder in mehreren Ländern der jeweiligen Präferenzzone vorgenommen worden sind, bei Erwerb der Ursprungseigenschaft mitzuzählen. Dies führt dazu, dass, obwohl eigentlich der einzelne Verarbeitungsschritt im konkreten Land nicht ausreichen würde, um die Ursprungseigenschaft in diesem Land zu begründen, aufgrund der Kumulierung die Ursprungseigenschaft fingiert wird.
Vorteile des präferenziellen Warenursprungs
Der präferenzielle Warenursprung bietet zwei wesentliche Vorteile:
- Zollermäßigung/Vergünstigung: Unternehmen können Waren zollfrei oder zu reduzierten Zollsätzen einführen, was Kosteneinsparungen ermöglicht.
- Wettbewerbsvorteile: Durch niedrigere Importkosten können Unternehmen wettbewerbsfähigere Preise anbieten und ihre Marktchancen steigern.
Wie den Nachweis für den präferenziellen Warenursprung erbringen?
Die Nachweise für die Eigenschaft als Präferenzware werden durch spezielle Dokumente erbracht:
- Warenverkehrsbescheinigung EUR.1
- Vereinfachter Präferenznachweis in Form der Ursprungserklärung auf einem Handelspapier (UE, meist auf der Rechnung)
- Warenverkehrsbescheinigung EUR-MED für den paneuropäischen mediterranen Raum
- „Admission Temporaire“-Bescheinigung (A.TR.) insbesondere in Bezug auf die Türkei
- (Langzeit-)Lieferantenerklärung
Es ist jeweils zu prüfen, für welches Präferenzabkommen welcher Nachweis notwendig ist. Ein fehlender oder unrichtiger Nachweis hat den gleichen Effekt, als würde die Ursprungseigenschaft gar nicht bestehen.
Gerade die vereinfachten Nachweismöglichkeiten „UE“ und „Langzeit-Lieferantenerklärung“ sind nur unter besonderen Voraussetzungen gegeben. Lieferantenerklärungen sind nur möglich, wenn die Vormaterialien aus einem Mitgliedstaat der EU stammen. „UE“ können dagegen nur von „Ermächtigten Ausführern“ abgegeben werden. Es bedarf einer besonderen Bewilligung hierfür.
Freihandelsabkommen und Warenursprung
Besonders Augenmerk ist auf die recht modernen Freihandelsabkommen zwischen EU und Kanada (Comprehensive and Economic Trade Agreement – CETA), der EU und Japan (Japan-EU Free Trade Agreement – JEFTA) und der EU und Großbritannien (Trade and Cooperation Agreement – CTA) zu legen. Diese weisen sehr komplexe Ursprungsregeln auf, die oftmals völlig anders zu handhaben sind, als dies bei den bisherigen Präferenzabkommen der Fall ist.
Strafen bei falschem Warenursprung
Die Angabe eines falschen Ursprungs kann schwerwiegende rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, abhängig vom Ursprungstyp der Ware. Die nachstehende Übersicht zeigt die möglichen Rechtsfolgen:
- Präferenzieller Warenursprung: Bei falscher Angabe dieses Ursprungs droht der Vorwurf der Steuerhinterziehung.
- Handelspolitischer IHK-Ursprung: Ein falsch ausgestelltes Ursprungszeugnis kann zu dem Vorwurf der Urkundenfälschung führen.
- „Made in“-Kennzeichnung: Falsche Herkunftsangaben können Schadenersatzansprüche nach sich ziehen. In einigen Fällen kann der Zoll bei falschen Angaben die Waren beschlagnahmen.
Die ordnungsgemäße Angabe des Ursprungs ist daher von entscheidender Bedeutung, um rechtliche Probleme zu vermeiden und die Vorteile des richtigen Ursprungs zu nutzen.
Es ist ratsam, die geltenden Vorschriften und Anforderungen sorgfältig zu beachten und bei Unsicherheiten rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Gern sind unsere erfahrenen Experten Ihnen hierbei behilflich!
Ihr Anwalt für den Warenursprung
Die Bestimmung des Warenursprungs führt immer wieder zu Fehlern beim internationalen Handel. Daher empfehlen wir eine sorgfältige Planung und Dokumentation. Auch unbeabsichtigte Fehler bei der Feststellung des Ursprungs können zu rechtlichen Konsequenzen führen. Daher ist es ratsam, sich von Experten beraten zu lassen und die geltenden Regeln und Abkommen genau zu verstehen, um die Vorteile des präferenziellen Warenursprungs optimal zu nutzen.
Kommen Sie gern mit Ihren Fragen auf uns zu! Sie erreichen uns am einfachsten unter info@winheller.com oder telefonisch via 069 / 76 75 77 80.
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