Erweiterte beschränkte Steuerpflicht in Deutschland
Wer aus Deutschland wegzieht, entkommt nicht immer sofort dem Zugriff des deutschen Fiskus. Neben der sog. Wegzugsbesteuerung, die den Wegzügler zum Zeitpunkt des Wegzugs treffen kann, gibt es die erweiterte beschränkte Steuerpflicht (§ 2 AStG). Sie sorgt dafür, dass ein Wegziehender für weitere zehn Jahre mit bestimmten Einkünften der deutschen Besteuerung unterliegen kann und damit weiterhin der Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung in Deutschland unterfällt – auch wenn er schon lange nicht mehr in Deutschland wohnt.
Kurzüberblick zur Besteuerung in Deutschland
Die deutsche unbeschränkte Steuerpflicht knüpft gem. § 1 Abs. 1 EStG an den Wohnsitz (§ 8 AO) oder den gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) und umfasst grundsätzlich das Welteinkommen („Welteinkommensprinzip“). Wer also in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist, zahlt grundsätzlich auf sämtliche Einkünfte, die er weltweit bezieht, Einkommensteuer. Doppelbesteuerungsabkommen, die Deutschland mit sehr vielen Ländern geschlossen hat, reduzieren allerdings das Risiko einer Doppelbesteuerung.
Werden diese Anknüpfungspunkte (Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt) in Folge eines Wegzugs ins Ausland verlagert, so unterliegen nur noch inländische Einkünfte i.S.d. § 49 EStG der beschränkten Steuerpflicht in Deutschland. Dies gilt aber nicht, wenn der Wegziehende einen Wohnsitz in einem sog. Niedrigsteuerland begründet oder sogar ein Dauerreisender („Perpetual Traveler“) ist. In diesem Fall besteht das Risiko, dass neben den rein inländischen Einkünften noch weitere Einkünfte für die nächsten zehn Jahre in Deutschland erweitert beschränkt steuerpflichtig sind.
Dies kann weitreichende steuerliche Folgen für den Wegziehenden haben.
Beratung im internationalen Steuerrecht
Neben allen Fragen rund um die erweiterte beschränkte Steuerpflicht in Deutschland unterstützen wir Sie auch gerne in folgenden Bereichen:
Voraussetzungen für die Anwendung des § 2 AStG
Für die Anwendung von § 2 des Außensteuergesetzes gelten folgende Voraussetzungen:
- Die Person ist deutscher Staatsbürger, der innerhalb der letzten zehn Jahre mindestens fünf Jahre in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig i.S.d. § 1 EStG gewesen ist (taggenaue Berechnung).
- Diese Person wird in einem Niedrigsteuerland ansässig (z.B. Begründung Wohnsitz) oder nirgendwo („Digitaler Nomade“).
- Die Person hat weiterhin wesentliche wirtschaftliche Interessen in Deutschland.
Nur wenn diese drei Kriterien gleichzeitig erfüllt sind, kann es zu einer erweiterten beschränkten Steuerpflicht kommen. In diesem Fall ist es wichtig, zu verstehen, wie die von der Vorschrift verwendeten Begrifflichkeiten genau definiert sind.
Wann gilt ein Land als Niedrigsteuerland?
Ein Land gilt als Niedrigsteuerland, wenn die Steuerbelastung im ausländischen Staat mindestens ein Drittel unter der deutschen Steuerbelastung liegt. Hierfür ist ein Steuerbelastungsvergleich unter der Annahme fiktiver Einkünfte i.H.v. 77.000 Euro p.a. vorzunehmen.
Beispiel: Liegt der Steuersatz auf dieses Einkommen im Ausland bei 27 Prozent und in Deutschland bei 42 Prozent, ist das Kriterium der niedrigen Besteuerung erfüllt.
Zunehmender Popularität erfreuen sich auch Staaten mit einem „Pauschalbesteuerungsregime“ (z.B. Italien, Schweiz). Diese gelten immer als „Niedrigsteuerland“, sofern die Pauschalbesteuerung in Anspruch genommen wird.
Was sind „wesentliche wirtschaftliche Interessen“ in Deutschland?
Hierfür ist ausreichend, wenn eines der folgenden Merkmale im Jahr des Wegzugs oder in den folgenden zehn Jahren nach Wegzug auf den Betroffenen zutrifft (nur auszugsweise):
- Unterhalten eines Einzelunternehmens in Deutschland
- Unbeschränkt haftender Mitunternehmer (Gesellschafter einer deutschen Personengesellschaft, z.B. GbR, OHG)
- Kommanditist mit Anteil > 25 Prozent an einer deutschen Kommanditgesellschaft
- Anteile an einer deutschen Kapitalgesellschaft i.S.d. § 17 EStG (> 1 Prozent)
- Deutsches Vermögen > 154.000 Euro oder Anteil des deutschen Vermögens am weltweiten Vermögen > 30 Prozent.
Viele dieser Kriterien können durch eine vorausschauende Planung des Wegzugs vermieden werden.
Steuerliche Risiken und Konsequenzen
Sind alle Voraussetzungen für die Anwendung des § 2 AStG erfüllt, so ist der Wegziehende im Jahr des Wegzugs und die folgenden zehn Jahre „erweitert beschränkt steuerpflichtig“.
Die konkreten Auswirkungen sind dann folgende:
- Nicht nur die inländischen Einkünfte i.S.d. § 49 EStG, sondern auch die sog. nicht ausländischen Einkünfte i.S.d. § 34d EStG sind dann in Deutschland erweitert beschränkt steuerpflichtig. Potenziell droht also eine höhere Steuerbelastung in Deutschland.
- Der anwendbare Steuersatz der in Deutschland steuerpflichtigen Einkünfte wird im Rahmen des „Progressionsvorbehalts“ anhand des Welteinkommens ermittelt. Dies kann schnell zur Anwendung eines Steuersatzes von bis zu 45 Prozent auf die in Deutschland effektiv zu versteuernden Einkünfte führen.
- Es besteht weiterhin die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung für alle beschränkt und erweitert beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte. Dies kann z.B. für Kryptoinvestoren oder Trader hohen administrativen Aufwand bereiten, da diese dann im Zweifel weiterhin ihre Transaktionen nach deutschen Vorschriften aufbereiten und ihre Einkünfte entsprechend ermitteln müssen.
Welche besonderen Risiken können sich ergeben?
- Besondere Vorsicht ist geboten, wenn durch Wegzug „betriebsstättenlose“ Einkünfte entstehen würden. Dies kann gerade für sog. digitale Nomaden ein Risiko darstellen, die im Ausland ein Unternehmen ohne Substanz gründen (sog. Briefkastenfirma) und selbst kein festes Zuhause mehr haben. Nach § 2 AStG ist in einem solchen Fall eine „fiktive“ deutsche Geschäftsleiterbetriebsstätte anzunehmen und folglich könnten diese Einkünfte in Deutschland weiterhin besteuert werden. Das ist z.B. ein Dauerbrenner im Hinblick auf von vielen digitalen Nomaden gerne errichtete US LLCs.
- Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) können grundsätzlich vor den Folgen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht schützen, da diese Abkommen Vorrang vor nationalen Regeln haben. Auch diese schützen aber nicht immer vor den Folgen. So wird z.B. durch das DBA zwischen Deutschland und der Schweiz oder UK die erweiterte beschränkte Steuerpflicht nicht vermieden.
WINHELLER unterstützt beim rechtssicheren Auswandern aus Deutschland und der Vermeidung der erweiterten beschränkten Steuerpflicht
Den steuerlichen Risiken durch die erweiterte beschränkte Steuerpflicht können Sie durch vorausschauende Planung und Umstrukturierungen entgehen. Auch eine mögliche Auswirkung eines bestehenden Doppelbesteuerungsabkommens ist zu berücksichtigen. Nur so lässt sich abschließend klären, ob und in welcher Höhe Sie einer erweiterten beschränkten Steuerpflicht ausgesetzt sind.
Ihre Anwälte für internationales Steuerrecht
Gern sind Ihnen unsere erfahrenen Experten für internationales Steuerrecht bei allen Fragen des Wegzugs behilflich. Kommen Sie gern mit Ihren Fragen auf uns zu! Sie erreichen uns am einfachsten per E-Mail (info@winheller.com), telefonisch (069 76 75 77 85 31) oder über unseren Online-Fragebogen zum internationalen Steuerrecht.
Bleiben Sie up-to-date!
Vorträge, Seminare und Webinare
Aktuelle Stellenanzeigen
Sie benötigen Unterstützung?
Sie haben Fragen zu unseren Leistungen oder möchten einen persönlichen Beratungstermin vereinbaren? Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme! Häufig gestellte Fragen beantworten wir in unseren FAQs.
Oder rufen Sie uns an: +49 (0)69 76 75 77 85 31