Aberkennung der Gemeinnützigkeit
Es gilt das Alles-oder-nichts-Prinzip
Die Finanzverwaltung macht schon lange nicht mehr vor gemeinnützigen Körperschaften halt. Betriebsprüfungen sind auch im Dritten Sektor Alltag. Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit ist angesichts der Fülle von Regelungen und Vorgaben, die das Gemeinnützigkeitsrecht vorsieht und die von den handelnden Personen zu beachten sind, daher schnell passiert. Ärgerlich ist dabei, dass schon kleine Fehler nach dem in Deutschland geltenden Alles-oder-nichts-Prinzip zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit führen können. Zu den typischen Fehlern zählen z.B.
- Fehlen einer ordnungsgemäßen Buchhaltung und steuerstrafrechtlich relevantes Handeln der Verantwortlichen,
- Verstoß gegen das Selbstlosigkeitsgebot, d.h. Verwendung der Mittel der NPO für satzungsfremde Zwecke (z.B. private Zwecke oder für den steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb),
- Verdeckte Gewinnausschüttungen,
- Ausstellen von Gefälligkeitsspendenbescheinigungen,
- Unangemessen hohe Geschäftsführergehälter bei gGmbHs,
- Zahlung überhöhter Vergütungen an Vorstände (ohne Satzungsgrundlage),
- Zahlung überhöhter Honorare an Dienstleister,
- Fehler in der Satzungsgestaltung,
- Verstoß gegen das Ausschließlichkeitsprinzip, z.B. durch eine übermäßige wirtschaftliche oder politische Betätigung,
- Verstoß gegen bankaufsichtsrechtliche Vorgaben der BaFin, z.B. bei der Annahme oder Ausgabe von Darlehen
Video: Aberkennung der Gemeinnützigkeit
Diese Fragen beantwortet Rechtsanwalt Bartosz Dzionsko im Video:
- Welche Fehler führen am häufigsten zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit?
- Welche Folgeprobleme ergeben sich aus der Aberkennung?
- Wie sollten NPOs im Falle einer Aberkennung vorgehen?
- Können NPOs den Status der Gemeinnützigkeit zurückerlangen?
Aberkennung der Gemeinnützigkeit für mehrere Jahre
Das Finanzamt entzieht die Gemeinnützigkeit für das jeweilige Jahr, in dem der Nonprofit-Organisation (NPO) der Fehler unterlaufen ist. In der Praxis führt dies meist zu einem Entzug der Gemeinnützigkeit für mehrere Jahre, denn Fehler, die unterlaufen, erstrecken sich häufig über mehrere Jahre. Wird der Fehler abgestellt, besteht allerdings die Möglichkeit, die Gemeinnützigkeit für die Zukunft wieder zurückzuerlangen.
Keine sofortige Aberkennung der Gemeinnützigkeit bei unzulässiger Mittelthesaurierung
Die einzige im Gesetz ausdrücklich erwähnte und in der Praxis sehr bedeutsame Ausnahme zum Alles-oder-nichts-Prinzip gilt für den Fall der unzulässigen Mittelthesaurierung, also für den Fall, in dem eine NPO ihre Mittel nicht, wie es das Gemeinnützigkeitsrecht vorsieht, innerhalb von zwei Jahren nach dem Jahr des Zuflusses für ihre gemeinnützigen Zwecke verwendet.
Statt sogleich die Gemeinnützigkeit zu entziehen, wird das Finanzamt dann eine Frist setzen, bis zu der die rückständigen Mittel für gemeinnützige Zwecke verwendet werden müssen. Wird die vom Finanzamt gesetzte Frist eingehalten, erfolgt keine Aberkennung der Gemeinnützigkeit.
Rückwirkende Aberkennung der Gemeinnützigkeit
Verstöße gegen den wichtigen Grundsatz der Vermögensbindung führen hingegen nicht nur zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit für die betreffenden Jahre, sondern sogar zu einer rückwirkenden Aberkennung der Gemeinnützigkeit für die vergangenen 10 Jahre! Solche Verstöße haben daher häufig das Aus der Organisation zur Folge. Die rückwirkende Versteuerung (Umsatzsteuer, Ertragsteuer, Spendenhaftung etc.) führt nämlich nicht selten zur Insolvenz der NPO.
Derlei gravierende Verstöße sind z.B. denkbar, wenn die gemeinnützige Bindung des Vermögens über den Zeitpunkt der Auflösung der NPO hinaus nicht korrekt in der Satzung festgeschrieben ist oder wenn zwar die Satzung einwandfrei ist, die Organisation aber in tatsächlicher Hinsicht die Vermögensbindung nicht beachtet oder ihre Mittel derart umfassend fehlverwendet, dass damit ihre gesamten Mittel der Gemeinnützigkeit entzogen sind und letztendlich nicht-gemeinnützigen Zwecken dienen.
Folgeproblem I: Rückforderung von Zuschüssen
Der Entzug der Gemeinnützigkeit ist, vom soeben beschriebenen Fall der 10-jährigen Rückversteuerung abgesehen, für viele Körperschaften weniger dramatisch als die sich daran anschließenden Folgeprobleme, die sich zum GAU sowohl für die Organisation als auch die Verantwortlichen entwickeln können.
Insbesondere zuschussfinanzierten Einrichtungen, z.B. Bildungsträger wie Schulen und Kindergärten, Forschungseinrichtungen, Träger sozialer Dienstleistungen und Behindertenwerkstätten, droht im Anschluss an den Entzug der Gemeinnützigkeit häufig der Wegfall der staatlichen Unterstützung. Damit bricht nicht selten das gesamte Geschäftsmodell, das auf die Zuschussfinanzierung zwingend angewiesen ist, in sich zusammen: Ohne Zuschüsse lassen sich die laufenden Kosten, vor allem die Personalkosten und Mieten, meist nicht decken.
Und damit nicht genug: Der Wegfall der Gemeinnützigkeit wird führt oft dazu, dass die öffentliche Hand bereits gewährte Zuschüsse für die vergangenen Jahre ganz oder zum Teil zurückverlangt. Damit ist die Insolvenz der ehemals gemeinnützigen Einrichtung regelmäßig besiegelt, wenn keine rechtliche und/oder politische Lösung des Problems gefunden wird.
Folgeproblem II: Persönliche Haftung
Damit immer noch nicht genug: Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit sowie möglicherweise im Raum stehende Rückforderungsansprüche in Bezug auf Zuschüsse sind, was die persönliche Haftung der Verantwortlichen angeht, nur der Anfang.
Für die handelnden Personen, z.B. den Vorstand oder Geschäftsführer, steht noch deutlich mehr auf dem Spiel: Sowohl das Finanzamt als auch die NPO selbst werden die Handelnden nämlich mit hoher Wahrscheinlichkeit auf rückständige Steuerzahlungen bzw. auf Schadensersatz in Haftung nehmen.
Die NPO ist zur Geltendmachung dieser Ansprüche übrigens verpflichtet, wenn sie nicht erneut eine Mittelfehlverwendung durch Verzicht auf den Schadensersatzanspruch und damit erneut einen Fehler gegen gemeinnützigkeitsrechtliche Vorgaben begehen will. Diese Pflicht, gegen die eigenen Kollegen vorgehen zu müssen, verkompliziert die Situation in rechtlicher und emotionaler Weise ganz erheblich. In aller Regel kommt es dann zum Zerwürfnis zwischen ehemals guten Kollegen. Von Glück kann in diesen Fällen diejenigen NPO sprechen, die für ihre Führungskräfte frühzeitig eine sogenannte "D&O"-Versicherung abgeschlossen hat, die im Fall der Fälle einspringt und den Schaden ausgleicht und die für den Schaden Verantwortlichen so vor dem finanziellen Aus bewahrt.
Folgeproblem III: Auswirkungen auf Spenden
Eine Körperschaft, deren Gemeinnützigkeit aberkannt wurde, darf keine Zuwendungsbestätigungen mehr ausstellen. Da die meisten Spender ihre Zuwendungen im Rahmen ihrer Steuererklärungen geltend machen möchten, solche Spenden aber nur dann abzugsfähig sind, wenn sie an gemeinnützige Körperschaften geleistet werden, wird der Verlust der Gemeinnützigkeit häufig zu einem empfindlichen Einbrechen der Spendeneinnahmen führen.
Auch für bereits ausgestellte Spendenbescheinigung hat der Entzug der Gemeinnützigkeit unter Umständen negative Auswirkungen. Zwar dürfen sich die Spender auch weiterhin auf die einmal ausgestellten Spendenbescheinigungen verlassen – jedenfalls dann, wenn sie nicht wussten oder hätten wissen müssen, dass die Zuwendungsbestätigungen falsch waren. Dafür haftet dann aber häufig die gemeinnützige Organisation selbst gegenüber dem Finanzamt mit einem Betrag in Höhe von mindestens 30% der Spenden. Diese sog. Spendenhaftung bedroht dann sowohl die gemeinnützige Körperschaft als auch die für die NPO tätigen Verantwortlichen.
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Video: Spendenhaftung durch Aberkennung der Gemeinnützigkeit
Auszug aus unserem Webinar „Haftung im gemeinnützigen Verein“ in Kooperation mit Haus des Stiftens. Rechtsanwalt Alexander Vielwerth beantwortet folgende Fragen im Video:
- Aberkennung der Gemeinnützigkeit: Was sind die Gründe?
- Spendenhaftung: Wer haftet? Und in welcher Höhe?
Radiodiskussion zum Entzug der Gemeinnützigkeit
Rechtsanwalt Johannes Fein im Interview bei detektor.fm
(Thema: BFH-Urteil zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit wegen der Diskriminierung von Frauen)
Wir vertreten Ihre NPO gegenüber dem Finanzamt und Zuschussgebern
Die (drohende) Aberkennung der Gemeinnützigkeit ist häufig existenzgefährdend – für die NPO sowie für die handelnden Personen.
Wir vertreten Ihre Organisation in dieser emotional bewegenden Situation souverän gegenüber den Finanzbehörden und den Zuschussgebern und beraten Sie zum notwendigen Vorgehen. Bei geringen Verstößen im Vergleich zur Größe Ihrer NPO kann es übrigens gelingen, die Aberkennung der Gemeinnützigkeit trotz des o.g. Alles-oder-nichts-Prinzips mit verfassungsrechtlichen Argumenten noch abzuwenden – wenn nicht bereits im Einspruchsverfahren, so doch häufig zumindest vor dem Finanzgericht.
In manchen Fällen erkennt die Finanzverwaltung auch vorschnell Fehler, die sich bei genauerer Prüfung als unbedenkliches Handeln entpuppen. Liegen aber tatsächlich Verstöße gegen die gemeinnützigkeitsrechtlichen Regeln vor, besprechen wir ausführlich mit Ihnen, wie die Fehler unverzüglich abgestellt werden können, um so zumindest für die Zukunft die Gemeinnützigkeit nicht weiter zu gefährden. In der Auseinandersetzung mit den Zuschussgebern legen wir besonderen Wert auf die saubere Herausarbeitung der Gründe für die in der Vergangenheit erfolgte Zuschusszahlung. Nicht immer ist die Gemeinnützigkeit im strengen Sinne der Abgabenordnung nämlich auch zwingende Voraussetzung für Zuschussfinanzierungen. Rückforderungsansprüche allein wegen des erfolgten Entzugs der Gemeinnützigkeit bestehen dann nicht.
Gesamtkommentar Gemeinnützigkeitsrecht
Immer griffbereit: Erster Kommentar zum gesamten Gemeinnützigkeitsrecht, herausgegeben von Stefan Winheller (u.a.). Der erfolgreiche Querschnittskommentar widmet sich ausführlich und ausschließlich dem Steuerrecht gemeinnütziger Körperschaften.
Das Werk ist ideal für Juristen, Steuerberater, In-House-Counsel oder andere im Dritten Sektor Verantwortliche – denn er vereint sämtliche relevanten Normen der Einzelgesetze in einem Band.
Diskussion mit Finanzamt: Vorbereitung zählt
Eines ist jedenfalls klar: Unvorbereitet in die Diskussion mit dem Finanzamt und/oder den Zuschussgebern einzusteigen und davon auszugehen, im Gespräch mit den Behörden lasse sich „das schon alles irgendwie vernünftig regeln“, ist fast immer der falsche und ein sehr gefährlicher Ansatz, der nach hinten losgeht.
Sprechen Sie lieber rechtzeitig mit uns, so dass wir Sie vor den Risiken warnen und gemeinsam eine kluge Strategie für das weitere Vorgehen entwerfen können.
Ihr Anwalt beim Entzug der Gemeinnützigkeit
Droht Ihrer Organisation die Aberkennung der Gemeinnützigkeit oder wurde Ihnen die Gemeinnützigkeit bereits entzogen?
Unsere Anwälte helfen Ihnen gerne bei allen Fragen rund um Probleme mit dem Finanzamt oder den Entzug der Gemeinnützigkeit.
Sie erreichen uns am einfachsten per E-Mail (info@winheller.com) oder gerne auch telefonisch (069 76 75 77 85 24).