Dry-Income | Mitarbeiterbeteiligung über Kryptowährungen | Einkommen in Sachbezügen
Was ist Dry-Income?
Trotz der im internationalen Vergleich hohen Steuer- und Abgabenbelastung in Deutschland, bleibt vom Einkommen auch nach Abzug der Steuern in der Regel zumindest etwa die Hälfte übrig. Wenn Einkommen jedoch statt in Geld in Sachbezügen besteht, kann es vorkommen, dass zwar vermögensmäßig die Hälfte verbleibt, aber auf der Zahlungsseite ein Minus bei der begünstigten Person entsteht.
Wenn Einkommen (engl. “income“) ohne Geldfluss (nicht liquide, also engl. „dry“) entstehen, werden entsprechende Zuflüsse unter dem Begriff „Dry-Income“ oder auch „Phantom Income“ zusammengefasst.
Arbeitnehmer wird mit Sachwerten vergütet
Ein Beispiel: Wenn Felix Fleißig neben seinem Gehalt von monatlich 7.000 Euro von seinem Arbeitgeber eine Eigentumswohnung im Wert von 100.000 Euro als Prämie für seine Leistungen erhält, dann ist klar, dass Felix Fleißig darauf Steuern abführen muss (ca. 45% = 45.000 Euro).
Da er in diesem Fall eine Sachzuwendung (Eigentumswohnung) und somit kein Geld erhält, müsste er die Steuer von ca. 45.000 Euro aus eigener Tasche bezahlen. Sein Vermögen wächst, aber seine Liquidität sinkt. Theoretisch zahlt er also sogar mehr Steuern, als sein Gehalt von 7.000 Euro möglich macht. Da er die Wohnung auch meist nicht sofort verkaufen kann, entsteht zunächst eine liquide Belastung. Das ist das Dry-Income-Problem.
Ein realistischer Beispielsfall sind Mitarbeiterbeteiligungen in Form von Aktien. Im unentgeltlichen Fall stellt der volle Börsenkurs bei Zufluss der Aktie Arbeitslohn dar, der dann in der Lohnabrechnung des Arbeitnehmers zu besteuern ist. Wenn der Arbeitnehmer die Aktie nicht sofort verkauft, ist sein Netto um die Steuer auf die Aktie verringert – er hat also sogar weniger Netto als gewöhnlich zur Verfügung, obwohl er mehr Arbeitslohn als sonst erhält. Ohne Verkauf der Aktie entsteht also auch hier das Dry-Income-Problem.
Dry-Income-Problematik oft auch bei ICOs
Die meisten Whitepaper von Initial Coin Offerings (ICOs) enthalten Angaben über die Verwendung der herausgegebenen Currency-Coins in Form von Tortendiagrammen, oft unter der Überschrift „Token Distribution“.
Hinter dem hier dargestellten Bereich „Founders and Team“ versteckt sich die Dry-Income-Problematik. Denn oft wird geplant, Token in Größenordnungen von 5-15% an die Gründer und MitarbeiterInnen auszugeben. Die Abgabe an Teammitglieder soll dabei meist unentgeltlich oder verbilligt erfolgen, auch wenn dies im Whitepaper meist nicht explizit so angegeben wird.
- Allzu oft vergessen die Initiatoren, ihre Idee frühzeitig unter steuerlichen Aspekten zu betrachten. Dabei sollte längst klar sein: Wo große Werte bewegt werden, hat auch das Finanzamt entsprechende Begehrlichkeiten.
- Gemäß den steuerrechtlichen Vorschriften sind Sachbezüge Zuwendungen eines Arbeitgebers, die zwar eine geldwerte Leistung darstellen, aber nicht in Geld oder durch bargeldlose Geldleistung erbracht werden.
- Werden Vorteile an Teammitglieder in Kryptowährungen erbracht, sind dies keine bargeldlosen Geldleistungen, sondern Sachbezüge, weil Kryptowährungen eben doch kein Geld im Rechtssinne sind (die BaFin spricht von Rechnungseinheiten).
Wir möchten an dieser Stelle die Thematik, Ausschüttung an Mitarbeiter einmal wirtschaftlich und steuerlich näher betrachten.
Ein Beispiel hierfür:
Die wundersame Geldvermehrung
Es liegt in der Natur der Herausgabe einer virtuellen Währung, dass „digitales Geld“ sozusagen aus dem Nichts per Knopfdruck geschaffen wird. Der Quellcode und die in diesem enthaltenen Regeln über die Konsensfindung bestimmen alleine die „Geldmenge“ der neuen Währung.
Dieses virtuelle Geld ist nur so viel wert, wie außenstehende Dritte bereit sind, dafür auszugeben. Bei einem ICO werden im Verlauf des ICO-Prozesses Werte von den Initiatoren vorgegeben, und die Investoren sind dann bereit, diese Preise zu bezahlen (oder auch nicht, was einem Scheitern des ICO entspräche).
Die Preisvorgaben des Initiators sind dabei eher willkürlich und deren Durchsetzung am Markt hängen von den Marketingfähigkeiten der Initiatoren ab. Häufig werden daher als Teil der Marketingmaßnahmen starke „Preisnachlässe“ für frühe Investoren gewährt. Im sog. Private Sale werden z.B. oft 60 % oder mehr Nachlass auf den Ziel-Endpreis im ICO gewährt:
- Ein früher Investor zahlt also beispielsweise für einen Token 0,40 Euro, während ein später Investor dann 1,00 Euro zu bezahlen hat. Der Gedanke im Hintergrund ist, dass je früher ein Investor einsteigt, desto höher das Risiko, dass das gesamte Projekt noch in der Umsetzungsphase floppt.
- Das höhere Risiko der Early-Bird Investoren wird also mit einem entsprechend niedrigerem Preis goutiert. Bei einem angenommenen Ziel-Endpreis von 1,00 Euro ist also während des ICO-Prozesses jeder Preis von z.B. 0,0001 Euro bis zum vollen Betrag nachvollziehbar.
- Diese extreme Spanne von potenzieller Wertlosigkeit bis zum vollen Wert liefert die Basis für Diskussionen mit dem Finanzamt, wenn Token Teil des Arbeitslohnes werden oder „verbilligt“ an Arbeitnehmer oder Gründer abgegeben werden.
Finanzamt ermittelt tatsächlichen Wert der Token
Wenn nun also wirtschaftlich jeder Preis von 0 bis 1 Euro in unserem Beispiel begründbar ist, was wird das Finanzamt als erstes tun, um einen Wert zu ermitteln und zu vergleichen? Bekommen Mitarbeiter, Gründer oder Geschäftsführer Token zu einem anderen als dem Endpreis, wird als erstes verglichen werden, was fremde Dritte zum selben Zeitpunkt gezahlt haben. Bei den meisten ICOs ist die früheste Phase, in der Fremdmittel akquiriert werden, der Private Sale.
Wie oben beschrieben, können Investoren im Private Sale einen Token z.B. für 0,40 Euro statt 1,00 Euro erwerben. Somit wäre es für das Finanzamt naheliegend, denselben Wert als den „echten“ Marktpreis zu betrachten, den die neue Währung hat. Das kann also ein erheblich geringerer Wert sein, als der finale Ausgabebetrag des Tokens.
Beispiel: Coins für Gründer und Mitarbeiter sind steuerpflichtiges Einkommen
Nehmen wir an, es ist geplant insgesamt 20.000.000 vWE (virtuelle Währungseinheiten) herauszugeben:
- 5% = 1.000.000 vWE davon sollen an Gründer und Mitarbeiter unentgeltlich gehen.
- 20% = 4.000.000 vWE werden in einem Private Sale für 0,40 Euro je vWE veräußert.
- 60% = 12.000.000 im Public Sale für 1,00 Euro.
Immer wieder beraten wir Gründer die zunächst davon ausgehen, dass auf die 1.000.000 unentgeltlich abgegebenen vWE keine Steuer anfällt. Dem ist jedoch nicht so: Im schlimmsten Fall nimmt das Finanzamt als Dry Income 1.000.000 vWE * 1 Euro an. Im etwas günstigeren Fall 1.000.000 vWE * 0,4 Euro. Im günstigeren Fall wären somit Steuern auf 400.000 Euro steuerpflichtiges Einkommen für Gründer oder Mitarbeiter fällig.
Werden Vorteile an Mitarbeiter ausgezahlt, könnten diese als Nettobezug anzusehen sein, was im Ergebnis zu noch höheren Belastungen im Unternehmen führen kann.
Späterer Verkauf bedeutet Vorfinanzierung der Steuern
Im zuvor genannten Beispiel wären von 400.000 Euro ca. 45% Steuern (180.000 Euro) abzuführen. Dies wären also 180.000 Euro, ohne dass dafür nur ein Cent an die Gründer und das Team geflossen wäre.
Da die vWE, also die Currency-Token, bisher noch an keiner Börse gehandelt werden, können weder Gründer noch Mitarbeiter die erhaltenen Token am Markt verkaufen. Das führt zu einer höchst unangenehmen Vorfinanzierung der Steuern bis zu einem möglichen späteren Verkauf. Genau das ist die Dry-Income-Problematik:
- Bei der Ausgabe von Aktien ist dieses Problem schon lange bekannt. In der Praxis wird dem mit Optionsmodellen oder Phantom-Aktien begegnet. Man hat statt der Aktie einer Option oder einer virtuelle Aktie zugesagt, welche erst zu versteuern ist, wenn deren Wert tatsächlich durch einen Verkauf versilbert wird. Ist das auch eine gangbare Lösung in einem ICO?
- Die Frage ist also, ob durch eine Verzögerung des Zuflusszeitpunkts auf eine Zeit, in der die neue virtuelle Währung weiterveräußert werden kann, das Problem des Dry-Income behoben werden könnte.
- Die wenig befriedigende Antwort lautet: „Im Prinzip ja, jedoch nur in der Theorie.“
Optionsmodell für ICO-Token?
Wenn wir den Zuflusszeitpunkt auf einen späteren Termin verschieben, z.B. an das Ende des ICO-Prozesses, könnten die Mitarbeiter die erhalten Token sofort (voll oder in Teilen) veräußern und aus dem Veräußerungspreis die Steuer bezahlen. Das „income“ wäre nicht mehr „dry“. ABER: Die Besteuerungsbasis wäre jetzt der aktuelle Fremdvergleichspreis. Das wären nunmehr 1.000.000 Euro, statt bisher 400.000 Euro.
Das heißt: Zeit und Liquidität gewonnen, aber unter dem Strich Euro verloren, weil sich die Steuer mehr als verdoppelt hat.
Hinzu kommt, dass ein Optionsrecht auf einen Token mit hoher Wahrscheinlichkeit zusätzliche Erlaubnispflichten bei der BaFin auslösen würde. Das klassische Optionsmodell aus der Aktienwelt ist also trotz vieler Parallelen keine echte Lösung für das zugrunde liegende Problem bei ICOs.
WINHELLER berät zu Einkommen in Sachbezügen
Statt dem Lösungsansatz aus der Aktienwelt zu folgen, gehen gut beratene Emittenten mit uns im Rahmen eines ICOs einen anderen Weg:
- Wir prüfen dabei, inwiefern wir den Zeitpunkt der Mittelzuwendung nach vorn statt nach hinten verlegen können.
- Dies erfordert ein Umdenken der Initiatoren auf mehreren Ebenen.
- Die Struktur des gesamten ICOs wird hierdurch verändert.
- Die Einbindung einer weiteren ICO-Stufe – einer Seed-Phase – kann die Voraussetzung für einen weiteren Fremdvergleich herstellen.
Die konkrete Ausgestaltung und praktische Umsetzung ist keine Schubladen-Lösung und wird durch unsere Beratung unter Berücksichtigung aufsichtsrechtlicher Aspekte auf das jeweilige Unternehmen zugeschnitten. Je nach individuellem Zeitplan können so Werte an die Gründer und Mitarbeiter nahezu zum Nulltarif transferiert werden und eine zusätzliche liquide Spritze für erste Kosten des neuen Unternehmens erlangt werden.
Verdeckte Gewinnausschüttung vermeiden
Soweit Teammitglieder auch Gesellschafter der Firma sind oder diesen nahestehende Personen, sind die Regelungen um verdeckte Gewinnausschüttungen und die Formvorschriften zu deren Vermeidung zu beachten. Insbesondere auch das Schriftformerfordernis gilt es rechtzeitig zu bedenken. Außerdem sollten die Regelungen der Gewerbeordnung, hier im Besonderen des § 107, beachtet werden. Danach ist Arbeitslohn in Geld auszubezahlen und eine Vergütung in Waren oder Sachbezügen ist nur unter gewissen Einschränkungen möglich.
Keinesfalls darf durch die Anrechnung von Sachbezügen auf den geschuldeten Arbeitslohn die Pfändungsgrenze unterschritten werden. Außerdem ist eine Anrechnung auf das Gehalt nur möglich, wenn dies schriftlich vereinbart ist. Sinn und Zweck der Regelung ist es, sicherzustellen, dass der Arbeitnehmer am Ende des Monats nicht „mit leeren Händen“ dasteht oder er erst mehr oder weniger mühsam die bezogenen Sachleistungen wieder in Euro umtauschen muss, um seinen Lebensunterhalt zu begleichen.
Besonderheiten gelten für Arbeitnehmer, die mehr als ein Monat im Ausland beschäftigt werden. In analoger Anwendung des Nachweisgesetzes wird dort zumindest eine Bezahlung des Arbeitsentgelts in der jeweiligen Landeswährung zugelassen. Diese Regelung kann jedoch nicht auf Bitcoin und Kryptowährungen angewendet werden, da diese virtuellen Währungen zumindest zum heutigen Zeitpunkt, nicht einfach und unproblematisch zum Konsum verwendet werden können. Auch gibt es für die Entgegennahme von Kryptowährungen keinen Annahmezwang wie bei herkömmlichem Geld.
Frühzeitige Planung verringert Steuerlast
Eine Regelung für ICO-Mitarbeiterbeteiligungen so auszugestalten, dass diese sowohl arbeitsrechtlich als auch steuerrechtlich rechtssicher sind, setzt frühzeitige Planung voraus.
Gerade auch weil viele Mitarbeiter zum Start des ICOs noch gar nicht rekrutiert sind, sondern meist erst später, nämlich während oder nach dem ICO zur Umsetzung der in Aussicht gestellten Projekte eingestellt werden. Dies muss bei einer individuellen Planung bei der Gestaltung berücksichtigt werden. Die Bezahlung von Mitarbeitern darf nach deutschen Regelungen nur zu einem Bruchteil des jeweiligen Gesamtgehalts in virtuellen Währungen erfolgen.
Ihre Ansprechpartner für ICOs und Dry-Income-Fragen
Die Dry-Income-Problematik betrifft nahezu alle ICOs, wird aber häufig von den Initiatoren oder technisch orientierten Beratern übersehen. Es gibt sehr vielversprechende Lösungsansätze, die jedoch nicht aus der Analogie zu Aktienmodellen hergeleitet werden sollten. Wird die Problematik nicht oder zu spät im ICO-Prozess erkannt, kann dies zu (vermeidbaren) Mehrsteuern im siebenstelligen Bereich führen.
Gern unterstützen wir Sie bei der rechtlichen Ausgestaltung Ihres ICOs und finden eine individuelle Lösung für die Dry-Income-Thematik. Ihre Experten rund um ICOs, Steuer- und Aufsichtsrecht erreichen Sie am einfachsten per E-Mail (info@winheller.com), telefonisch (069 76 75 77 85 28) oder über unser Kontaktformular zur Besteuerung von Kryptowährungen.